20 Mai 2012 - 10:00

Klosterkirche Wettenhausen


 
Zeitungsartikel von Helmut Kircher in der Augsburger Allgemeinen (Lokalteil Günzburg) vom 22. Mai 2012: Barocker Glanz mit vokaler Seele
camerata vocale beschließt Festwoche „Total Genial Vokal“ mit der bemerkenswerten Aufführung der Eberlin-Messe in der Klosterkirche Wettenhausen

camerata vocale und Günzburger Kammerorchester unter Leitung von Markus Putzke beschlossen mit einer Eberlin-Messe in der Klosterkirche Wettenhausen die Festivalwoche „Total Genial Vokal“. (Foto: Helmut Kircher)
 
Wettenhausen. Dem ersten Vierteljahrhundert eines mit Sangesereignissen angereicherten Chorlebens wäre damit also ein krönender Abschluss gesetzt. Ein Abschluss, der nichts weniger bewies, als dass dieser Ausnahmechor zu Recht einen Platz in der ersten Liga der Musikschaffenden unserer Region beanspruchen darf.

Zur Aufführung in der Klosterkirche Wettenhausen stand, im Rahmen eines von Prämonstratenserpater Gilbert aus Roggenburg zelebrierten Festgottesdienstes, mit Johann Ernst Eberlins „Missa Nr. 34 in C“ ein Werk, das in enger Beziehung zum Chor steht, war er es doch, der diesem, schon unter Archivstaub vermodernden Werk des aus Jettingen stammenden Komponisten, zur „Wiedererweckung“ verhalf, nach aufwendigen Restaurierarbeiten, mit einer Aufführung am „Originalschauplatz“ Salzburg und einer Ersteinspielung auf CD im Jahr 2002. Chorleiter Jürgen Rettenmaier, gleichermaßen inspirierter wie selbstkritischer Klangmagier, hatte seinen Chor auf die stimmige Mischung aus dynamischer Eleganz, betörender Klangfarbendisziplin und filigran artikulierter Behutsamkeit zugeschliffen und ihn dann dem mit jugendlichem Furor stürm- und drängenden Markus Putzke zur weiteren Verwendung übergeben.
Energie bündelt sich auf dem Dirigierstab
Sowohl chorisch wie orchestral vorbelastet und seit geraumer Zeit am Pult des Günzburger Kammerorchesters stehend, bringt der Neu-Maestro genau die Voraussetzungen mit, die einer eher kleinen konzertanten Vorgabe – Eberlins Messe ist nur von knapp halbstündiger Dauer – zu einem bemerkenswerten Musikereignis verhelfen kann. Putzke ist kein Zuchtmeister. Schief geht bei ihm trotzdem nichts. Er ist eine Art Animateur, bei dem sich die Energie auf dem Dirigierstab bündelt, bei dem sich die mit gläubiger Inbrunst auf den Text eingehende Tonsprache Eberlins gefühlsintensiv zu einem Seelengemälde verdichtet, bei der das Zuhören, trotz aller sakralen Hintergründe, richtig Freude macht.

Der feierlich fanfarenartige Kyrie-Beginn, das strahlend einsetzende Gloria mit seiner reichen Potenz an Pauken und Trompeten gestützter Klanggebung, gipfelnd in der dramatisch entflammenden Chorfuge „Cum sancto spiritu“, das ist die musikalische Substanz, aus der zu schöpfen ist. Agil, unangestrengt und textverständlich der Chor, differenziert ausgeleuchtet die vielfarbenen Bewegungsimpulse, die das Orchester beisteuert, und die drei Gesangssolisten sind durchweg Eigengewächs, alle haben sie die Musikerziehungsstufen camerata vocaler Ausbildung von Anfang an durchlaufen: Wolfgang Lutz, robuster, ausdruckfreudiger Bass, Franz Schweizer, tenoral schlank und transparent, Beate Winter mit schwerelos anmutigem Alt und Susanne Steinle, die jeden ihrer stimmlichen Einsätze, koloraturverziert oder im Höhenflug, zu einem Glanzpunkt sopranistischer Lebens-, Liebens- und Leidensfähigkeit macht.

Alles in allem eine von lichten Harmonien und gläubiger Aura erfüllte Eberlin-Messe, aus deren barockem Glanz die vokale Seele atmet. Mehr noch zu spüren war dieser Atem aus den liturgischen A-cappella-Vokalstücken, vom Chor der Messe hinzugefügt. Hier konnte sich der camerata stimmlicher Glanz in virtuoser Acht-Stimmigkeit, in Schwerelosigkeit, vokaler Prägnanz und durchgestylter Sangesglorie voll entfalten. Chorische Bedeutsamkeit, mit dem Charme des Natürlichen eine verführerische Allianz eingehend.