25 Nov 2007 - 10:00

Kath. Pfarrkirche St. Paulus Leipheim

Konzertkritik von Helmut Kircher in der Augsburger Allgemeinen (Lokalteil Günzburg) vom 26. November 2007: A-capella-Chor mit Leidenschaft und Überzeugung
Urkunde vom Chorverband gab es keine, die ist erst in fünf Jahren fällig. Dennoch wiegen die letzten 20 Jahre viel, ohne die Chorgemeinschaft der camerata vocale würde dieser Epoche ein Stück musikalischer Substanz fehlen.
A-capella-Chor mit Leidenschaft und Überzeugung (Foto: ALFA)
 
Leipheim/Günzburg. Urkunde vom Chorverband gab es noch keine, die ist erst in fünf Jahren fällig. Dennoch wiegen die letzten 20 Jahre viel, ohne die Chorgemeinschaft der camerata vocale würde dieser Epoche ein bedeutendes Stück musikalischer Substanz fehlen. Es war ein familiäres, intimes Jubiläum das man am Sonntag feierte, unter sich und unter Freunden, und mit einem dem Anlass gemäßen, chorisch-fulminanten Höhenflug.

Der fand vormittags in der Leipheimer St. Paulus-Kirche statt und dort, in das von puritanischer Schlichtheit geprägte Ambiente, passte er auch punktgenau. Schließlich war es eine „Angelegenheit zwischen Gott und mir“ wie der schweizer Komponist Frank Martin (1890 – 1974) seine „Messe für Doppelchor A capella“ verstand. Er konnte 1922 offenbar textlich nichts finden was dem Glauben neuen Klang zu verleihen vermochte, so vertonte er den katholischen Messetext. Welch durchlebte Farbigkeit des Klanges herrscht hier, welch schlichte Eindringlichkeit. Und wie klar verständlich vermochte es eine camerata vocale dissonante Reibeklänge in abgeklärter Ruhe stehen zu lassen, sie auszukosten und abzuschmecken, welch leisen Zerknirschungsgestus aus dem Gloria herauszuschälen, welche Fragilität aus dem Sanctus und wie subtil hintergründig das 1926 nachkomponierte Agnus Dei auszuhorchen.

Pfarrer Johannes Rauchs Lob über einen Chor aus „Leidenschaft und Überzeugung“ war nichts hinzuzufügen und Chorleiter Jürgen Rettenmaier bewies erneut seine Fähigkeiten als Meister des ausbalancierten Klanges. Unter seiner Leitung durfte man dieser Messe in vielerlei Hinsicht Modellqualität zuerkennen, für jegliche Art religiös zeitgemäßer Musik die den Anspruch erhebt, mehr zu sein als neutönerisches Bittebitte und pflichtdissonantes Dankedanke.

Der vokalen „Pflicht“ folgte die Leib und Seele befriedende „Kür“ im Günzburger Forums-Foyer. Lisa Lutz, Gründungsmitglied und Vorsitzende des Chores, ließ am Rednerpult die sanges-, erlebnis- und fast ausschließlich freudenreichen zwanzig Jahre Revue passieren. Zeichnete die großen Konzertreisen nach Spanien, Ungarn, Holland, Russland und natürlich den grandiosen Höhepunkt Italien mit Rom und Papstaudienz nach, die chorischen Neuentdeckungen, Uraufführungen und CD-Einspielungen bekannter und wiederentdeckter Komponisten, darunter Johann Ernst Eberlin, Hugo Distler, Ignaz Holzbauer und Claudio Monteverdi.

Von den 17 Gründungsmitgliedern sind immer noch fünf aktiv im Chor tätig, zählte sie auf, mehr als 150 waren es, die in all den Jahren ihre sangliche Fähigkeiten in den Chor einbrachten. Heute habe sich die Stamm-Mitgliederzahl der Aktiven bei etwa 25 stabilisiert. Zwar ließ sie keinerlei Amtsmüdigkeit spüren, dennoch, der „Generationenwechsel“, gab sie bekannt, sei durchaus schon eingeleitet.

Schon bald eine neue „Gärtnerin“ für den zwei Jahrzehnte alten „Lebensbaum“, den Vorstandsmitglied Dr. Albin Elischer als Geschenk überbrachte? Gar prächtig entwickelt habe er sich dank guter Nahrung, Düngung und „Fremdbestäubung“, viele „Vogelarten“ seien hier heimisch geworden. Doch dank des treusorgenden „Gärtnerpaares“ (Lutz/Rettenmaier) sei dieses Gewächs nie ins Wanken geraten. „Ihr könnt stolz darauf sein.“