25 Okt 2009 - 19:00
Evang. Auferstehungskirche Günzburg
Konzertkritik von Helmut Kircher in der Günzburger Zeitung vom 26. Oktober 2009:
Günzburg. Gemessenen Schrittes, auf vokal bewegten Schwingen marschierten die 25 Sängerinnen und Sänger ein, hüllten den Gebetsraum der Günzburger Auferstehungskirche in einen meditativen Schwebezustand, in einen Klangschleier aus volkstümlich sanft fließender Melodik. Ein lappländischer Jodler. Wer hätte es gedacht! Weitab aller hallodrio-lustiger Bergbubentümelei, vielmehr ein adäquater Vorgeschmack auf das, was die eineinhalb Stunden „Nordische Klänge“ an verinnerlichter, gefühlsdurchdrungener oder flott veredelter sanglicher Musiksprache zu bieten hatten.
Wobei allerdings zu bemerken ist, dass diese Chorkompositionen außerhalb ihrer nordischen Ursprungsländer nicht gerade zu den Hits zählen. Noch weniger die sakralen Vertonungen. Nicht einmal die des großen norwegischen Tonschöpfers Edvard Grieg (1843-1907), der sein Desinteresse gegenüber kirchlichen Texten offen bekundete. Nur wenige Lieder und vier Psalmen für sein „Album für Männergesang“ waren die Ausbeute seines nichtweltlichen Œvres. Zwei davon standen auf dem Programm: Das auf altnorwegische Kirchen- und Volksliedmelodien aufbauende „Jesu Christ ist auferfahren“ und das archaische, auf weitgeschwungenen Melodiebögen basierende „Ave Maris Stella“. Derselbe Text, vertont vom norwegischen Trond Kverno (geb. 1945) schöpft dagegen deutlich aus den Möglichkeiten neuzeitlicher Tonsprache. Gregorianische Strenge verpackt in Rhythmenwechsel, kantige Melodik, jedoch ohne zwanghaft verbiesterte Erneuerungen. Das Bemerkenswerte aber: der Sphärenklang, mit dem Jürgen Rettenmaier und seine camerata vocale den Zuhörer mitten ins Geschehen zu ziehen vermochte.
Dieser schmerzliche Charme, die zelebrierte Sinnlichkeit, in der beständig das bodenständig Nordische mitschwang. Die den betörenden Duft des Flieders aus Schweden zeichnete, die in Griegs Jugendzeiten schwelgte oder in Liebesglück und -leid dem flächendeckenden Herzschmerz in die dissonante Seele blickte. Die wohligste Melancholie in jener Komposition, die am häufigsten mit Griegs Namen verbunden wird: „Solveigs Lied“ aus der Schauspielmusik zu Peer Gynt. Christiane Mayershofer, am Klavier begleitet von Thomas Hechinger, sang es mit vibratoloser Natürlichkeit, ergreifend schlicht.
Rein instrumental gaben Annette und Heinz Christian mit Gitarre und Klarinette des Dänen Carl Nielsens „Der Nebel steigt“ Ausdruck und Tiefe, und Judith Elischer äußerte sich auf ihrer Querflöte zu „Frühlingsmelodien“ aus Norwegen mit solch virtuos lebendiger Anteilnahme, die eine Seelenverwandtschaft zu nordisch erfülltem Geist fast zwingend erscheinen ließ. Zum Schluss fand die camerata mit geswingtem dadaidada zu rhythmisch expressivem Liebesglück – aus der Perspektive eines Schmetterlings. „Love me before you say good bye“. Das machten sie, mit Verve, Eleganz und schwerelos schwingender Klangaura.
Konzertkritik von Helmut Kircher in der Günzburger Zeitung vom 27. Oktober 2009: