In der Reihe „Musikalischer Frühling im Schwäbischen Barockwinkel“ im Mai 2014:
Miss viva
Mess-Kompositionen unserer Zeit
und früherer Jahrhunderte
Seit über 700 Jahren vertonen Komponisten in einer stetigen Tradition die seit 1500 Jahren praktisch unveränderten Texte des Mess-Ordinariums (Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus und Agnus Dei).
Die ursprünglichen menschlichen Gesten wie „Die Bitte um Vergebung“ oder „Lobpreis des Schöpfers“ der Messtexte finden sich kaum in anderen Musikgattungen.
In Laufe der Jahrhunderte wandelten sich Kompositionstechniken und musikalische Mittel, aber auch das Verständnis des Menschen von sich selbst und von der Schöpfung.
Hören und betrachten wir Vertonungen heutiger Komponisten ergeben sich spannende Fragen:
Kann denn heute überhaupt noch etwas Neues, Eigenständiges, Gültiges ausgesagt werden, angesichts der Flut bereits vorhandener Vertonungen und was davon kann uns, die Ausführenden und Hörer, heute noch im Inneren berühren?
Termine:
Sonntag, 11. Mai 2014, 16 Uhr, in der Frauenkirche in Günzburg
Sonntag, 1. Juni 2014, 16 Uhr, Pfarrkirche St. Martin in Gabelbach
Karten zu 12,00 € / 6,00 € (ermäßigt) an der Abendkasse ab 1 Stunde vor Konzertbeginn
Eine Messe aus sechs Jahrhunderten
Die Camerata vocale wandert in Motetten durch die Musikgeschichte
Von Gertrud Adlassnig
Foto: Adlassnig
Ein beeindruckendes Kirchenkonzert mit Werken aus sechs Jahrhunderten bescherte die Camerata vocale unter der Leitung von Jürgen Rettenmaier den Besuchern in der Frauenkirche.
Mit einem ungewöhnlichen Programm begeisterte die Camerata vocale am Sonntagnachmittag ihre Zuhörer in der Günzburger Frauenkirche. Der Chor unter der Leitung von Jürgen Rettenmaier führte eine Messe auf, allerdings nicht das Werk eines einzelnen Komponisten, sondern eine Zusammenstellung von Motetten unterschiedlichster Komponisten aus sechs Jahrhunderten.
Zugleich führten die Musiker mit ihrem Gesang durch das Kirchenjahr, vom Advent über Weihnachten bis zur Karwoche und der Auferstehung. Für die Sänger galt es also, sich nach jedem Stück auf eine neue Epoche, eine neu zu interpretierende emotionale Situation einzulassen. Eine Herausforderung, die die Camerata vocale mit Bravour meisterte.
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Mit dem „Rorate coeli de super“ von Palestrina eröffnete der Chor sein Kirchenkonzert mit der ältesten Komposition des Nachmittags. Palestrinas sorgfältiger Umgang mit der Sprache, sein genauer Sprachduktus und Sprachsinn wurde von den Chorsängern mit feierlich getragener Reinheit kongenial umgesetzt.
Mit dem jüngsten Werk als Kontrapunkt hatten sich Musiker und Zuhörer mit Franz M. Herzog im direkten Anschluss auseinanderzusetzen. Das Kyrie und Gloria aus der „Missa lux caelestis“ des 52-jährigen Österreichers zeichnet sich durch eine atmosphärisch dichte Klangsprache aus. Expressive melodische Linien, die mit rhythmischen Mustern zu immer wieder neuen Klanggebilden kombiniert werden, erlauben eine völlig andere Form, die Aussagen des religiösen Textes zu transportieren. Im darauffolgenden Gloria, mit seinen vielschichtigen Überlagerungen und expressiven harmonisch fließenden Verläufen sind es die unerhörten Höhen, in die sich der Sopran schwingen muss, und das intensiv-kraftvolle Sopran-Solo, das begeistert.
Mit dem Sanctus und Agnus von Herzog, dem Zwischengesänge von Morten Lauridsen, Anton Bruckner und das „Ubi Caritas“ zur Gabenbereitung von Maurice Duruflé vorangingen, hatte der Kammerchor noch eine weitere rhythmische und dynamische Herausforderung zu meistern.
Insbesondere das Sanctus, von Percussion begleitet und mit prägnanten Stundenschlägen eingeleitet, das Elemente eines Mantras in sich zu tragen scheint, aufschwillt zu machtvollem Klang, um plötzlich abzubrechen in absolute Stille, in dem der Chor die musikalische Basis für ein sich darüber erhebendes Solo ausbreitet, in dem klassische Ansätze mit Gospelanklängen kombiniert werden, hat es der Camerata vocale angetan. Sie bedankte sich beim begeisterten Publikum am Ende mit einer Wiederholung.
Den Ausklang der Konzertmesse bildete die Motette „Surrexit pastor bonus“, in der Giacomo Carissimi (17. Jahrhundert) die Auferstehung Christi feiert. Jubelnde Frömmigkeit setzte der Chor mit Bachs „Lobet den Herrn, alle Heiden“ um. Rheinbergers Marienhymne „Salve Regina“, eine Motette für vierstimmigen Chor ließ das Konzertprogramm großartig ausklingen.
Konzertbericht aus der Günzburger Zeitung, 13. Mai 2014: