Donauzeitung, 6. Mai 2015

Juwelen der Chormusik im Schloss

Camerata vocale und die Chorschule des St.-Thomas-Gymnasiums Wettenhausen boten beeindruckendes Konzert im Höchstädter Rittersaal Von Anton Kapfer

Die Camerata vocale gastierte mit dem Schulchor- und Lehrerchor des St- Thomas-Gymnasiums Wettenhausen unter der Leitung von Jürgen Rettenmaier im Höchstädter Schloss.

Foto: Lorenz Kapfer

„Mithilfe der göttlichen Tonkunst lässt sich mehr ausdrücken und ausrichten als mit Worten.“ Diese These stellte einst Carl Maria von Weber in den Raum. Eine sehr eindrucksvolle Bestätigung fand diese Feststellung beim Chorkonzert dreier Ensembles, die zum Teil gemeinsam und teils eigenständig agierten: der Kammerchor Camerata vocale aus Günzburg sowie die Chorschule und Gastsänger des Lehrerchors des St.-Thomas-Gymnasiums Wettenhausen.

Die Interpretation der Sätze trugen die klare Handschrift ihres musikalischen Leiters Jürgen Rettenmaier. Im „geistlichen Teil“ spannte sich der Bogen von der Barockzeit bis zur Moderne. Die Eckpunkte dieses Teils bildeten ein Kyrie des amerikanisch-schwedischen Komponisten und Jazzmusikers Steve Dobrogosz und ein Agnus dei des Tschechen Pavel Stanek, interpretiert vom großen Gesamtchor. Das Kyrie klang zum einen hymnisch, aber in der Artikulation ebenso flehentlich und um Erbarmen bittend. Nicht streng gegliedert, sondern ineinanderfließend wechselten sich die Kyrie- und Christe-Rufe ab, professionell am Flügel begleitet von Thomas Hechinger.

Als Repräsentant der Barockmusik kam der gebürtige Jettinger Johann Ernst Eberlin zu Wort. Das Ensemble „Camerata vocale“ interpretierte mit großer Empathie den Passionshymnus „Christus factus est“, die Hingabe Jesu bis zum Tod. Von einem Frauen-Septett fortgeführt wurde die Thematik in einem strahlenden Madrigal des Italieners Giacomo Carissimi „Surrexit pastor bonus“. Für die Epoche der Klassik stand das „Ave verum“ W. A. Mozarts, das in der Art des Vortrags des Gesamtchores voluminös, aber auch fein ausgehorcht in den Akkordstrukturen und fließenden Phrasierungen zu einer erhebenden hymnischen Verehrung des verklärten Leibes Christi avancierte.

Zu den absoluten Juwelen romantischer geistlicher Chormusik zählen die von der „Camerata vocale“ vorgetragenen Motetten von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Mit starker Empathie und engagierter Sprache vermittelte der Chor dem Hörer den eingehenden Psalmtext, der in seiner musikalischen Ausgestaltung durch ineinanderfließende Phrasierungen und polyfonen Ansatz, aber auch durch wechselnde Tempi und Dynamik die Tiefen der Hörerpsyche berührt.

Einen interessanten Kontrast boten die beiden Motetten der zeitgenössischen norwegischen Chorkomponisten Trond Kverno und Ola Gjeilo. Sowohl im Marienhymnus als auch im „Ubi caritas“ spiegelten sich die Gefühlswelt der Menschen des hohen Nordens in der wunderbaren herben Klangschönheit der chorischen Sätze. Der zweite Teil des Konzertprogramms widmete sich der sogenannten profanen Chormusik. Die ersten beiden Songs erzählten zum einen von der Erlebniswelt eines neugeborenen Schmetterlings, zum anderen von einem Schmusekätzchen. Der fein abgestimmte Frauenchor zeichnete mit seinen Miau- und Schnurr- Zwischenrufen eine heimische Idylle. Auch in diesem Teil fand der nordische Akzent seinen Platz. Mit einem norwegischen Wiegenlied und einem finnischen Traditional zeichneten die Interpreten sehr differenziert die unterschiedlichen menschlichen Stimmungen.

In zwei englischsprachigen Songs folgten der Schul- und Lehrerchor den Gedanken und Gefühlen zweier Liebenden, die in der Musik und im klaren Wasser eines Flusses Trost und Läuterung suchen. Sehr selbstbewusst agierten junge Solisten im Kontext der Darbietung des Gesamtchores. Zwei deutsche Volksliedsätze setzten einen glanzvollen Schlusspunkt. In lautmalerischer Perfektion versetzten sich die Interpreten in die Erlebniswelt eines furchtsamen Waidmannes im „Ein Jäger längs dem Weiher ging“. Der spannende Satz „Auf der schwäb’sche Eisebahne“ wirkte nicht zuletzt sehr authentisch.

Mit einem gemeinsam gesungenes Frühlingslied schloss eine wunderbare Konzertstunde, die dem auf der Programmbroschüre formulierten Anspruch voll gerecht wurde: glanzvoll, festlich, romantisch, verträumt, ironisch, heiter.

http://www.augsburger-allgemeine.de/dillingen/Juwelen-der-Chormusik-im-Schloss-id33958302.html

Günzburger Zeitung, 05. Mai 2015

Ein funkelndes Bad in den Juwelen der Chormusik

Die Camerata vocale bewegt sich im Vorgriff auf ihre Romreise im Kaisersaal des Wettenhauser Klosters abseits des Mainstreamtrubels Von Helmut Kircher

30 Jahre Musikalischer Frühling im Schwäbischen Barockwinkel

Aufgestockt durch Chorschule und Lehrerchor des Wettenhauser Gymnasiums, brachte die Camerata vocale Günzburg ein stimmliches Megatonnengewicht zu ihrer musikalischen Frühjahrsparade in den Kaisersaal des Dominikanerinnen-Klosters. Musste wohl so sein, denn die nahende Romreise, mit stark vatikanischem Einschlag, wirft ihr stimmliches Potenzial voraus.

Nun gehört die Camerata beileibe nicht zu jenen, die der Meinung sind, sie müssten der Welt ihre chorische Präsenz per Klagelied mitteilen. Trotzdem, zum Hauptdarsteller ihrer stimmlichen Raumklang-Sinfonien gehört unabdingbar auch der seelische Ausdrucksbereich sakraler Musik. Deshalb die Zweiteilung des Programms in einen geistlichen und – das Publikum will nun mal entflammt sein – einen weltlichen Teil. Viel musikalische Gegenwart brachte Chorleiter Jürgen Rettenmaier schon in das Licht und Schattenspiel, in die gleißenden Klanganalysen von einerseits radikal moderner und andererseits zart schwelgender Kantabilität mendelssohnscher und mozartscher Prägung ein. Ein flammendes Plädoyer für die unwiderstehliche Schönheit des Tones. Rettenmaier fordert sie – und das schon nach zwei Probenwochenenden – von jedem Einzelnen seiner Sängerriege. Im bis zum Vorhof der Ekstase auftrumpfenden, vom Klavier (Thomas Hechinger) bravourös begleitenden, stimmvoluminösen Tutti in Steve Dobrogosz’ Kyrie eleison, in Johann Ernst Eberlins melodisch verspielter Polyfonie, Mozarts auf inniglichem Herzenston gebetteten Ave Verum, oder Pavel Stanks Agnus-Dei-Klangteppich, mit seinem klangschön friedvollen, von emotionaler Fülle beseelten Dona nobis pacem.

Lustvolle Liebeskummerer und frech-frei-fröhliche Hobbymelancholiker kamen im irdischen Teil sinnlicher Sangentfaltung auf ihre Kosten. Vokale Filmmusik. Beklemmend herzbewegend, funkelnd melodramatisch und durchblitzt von Ironie, Originalität und Intelligenz. Wie synkopisch vertrackt, wie rhythmisch vorwitzig flunkert und flinkert er, den Windhauch küssend, auf den Strahlen der Sonne: ein Schmetterling. So lieblich, so hell, der Himmel so blau. Sopranistisch reine Noblesse das „Pussykitten, pussy cat“, der Schmusekätzchensound, sanft, wie ein Bügeleisen die Wäsche, plättet er, schnurr-schnurr, alles Herzensmiau. Dafür wird dann ein braver Jägersmann zu einem hals- und stimmbrecherischen Sprint über die chorische Kurzstrecke antreten, und die dampf- und feuerfauchende „Schwäbische Eisenbahne“, in sängerisch bezaubernder Finesse, mit schwäbischem Witz und ausgefeilter Hutwurftechnik, ihren letzten Schnaufer aus dem Kessel pusten. Beim finalen „Nun will der Lenz uns grüßen“ zwitscherten nicht nur die Waldvöglein, nein, auch der nahezu voll besetzte Kaisersaal alles Winterleid zur Klosterpforte hinaus.

Langanhaltender Beifall für eine Offenbarung chorisch überbordender Gestaltungslust, leichtfüßiger Eleganz und bruchloser Beweglichkeit.

Link: http://www.augsburger-allgemeine.de/guenzburg/Ein-funkelndes-Bad-in-den-Juwelen-der-Chormusik-id33943947.html

Günzburger Zeitung, 5. Mai 2015

Der Frühling ist zur Marke geworden

Seit drei Jahrzehnten hat die Konzertreihe ihren Platz im Kulturbetrieb Von Helmut Kircher

30 Jahre „Musikalischer Frühling im Schwäbischen Barockwinkel“. Ehrengäste und Jubiläumsredner, stimmlich umrahmt von Sängerinnen der Camerata vocale: (von links) Sparkassenchef Walter Pache, Landrat Hubert Hafner, Gastgeberin Priorin Schwester Amanda und der Zweite Bürgermeister der Gemeinde Kammeltal, Hans Anwander. Foto: Kircher

Mit einer Schubert-Messe fing es an, am 12. Mai 1985, im Kaisersaal des Klosters Wettenhausen. Die Konzertreihe „Musikalischer Frühling“ war damit aus der Taufe gehoben. Doch dass sie innerhalb weniger Jahre Kultstatus erreichen würde, das konnten damals nicht einmal ihre beiden bildungsgeadelten Geburtshelfer, Staatsminister Hans Maier und Landrat Georg Simnacher, ahnen.

Was allerdings Camerata-Vorsitzende Petra Fischer bei einem kleinen Jubiläums-Festakt im Anschluss an das Chorkonzert aussprach, wurde seit dem Tag der Gründung zur jährlich neu aufgelegten Überlebensstrategie: „Wo Kunst und Kultur angeboten wird, ist eine großzügige Unterstützung durch Förderer unverzichtbar.“

Landrat Hubert Hafner nahm den Faden auf und wiederholte, was er jedes Jahr bei selbiger Gelegenheit nicht müde wird zu wiederholen: „Durch den finanziellen Beitrag der Sparkasse ist es dem Landkreis auch heuer wieder möglich …“

Den Dank dafür, dass die Veranstaltungsreihe sich etablieren und zu einem „festen Platz im Kulturbetrieb der Region“ werden konnte, nahm Sparkassenchef Walter Pache, in bewährter Bescheidenheit, nicht für sich selbst in Anspruch, sondern hob ihn auf eine übergeordnete Ebene: Der deutsche Sparkassenverbund, betonte er, sei der größte nicht staatliche Kulturförderer. Und Kultur gehöre nun mal zum Wohlfühlempfinden einer Region. „Deshalb soll und wird die Vielfalt kultureller Kreativität weiterhin unterstützt.“

Der „Musikalische Frühling“, äußerte sich Hans Anwander, Zweiter Bürgermeister der Gemeinde Kammeltal, sei zum „Markennamen“ geworden, seine musikalische Bandbreite und Qualität „ist zu einem nicht mehr wegzudenkenden Kulturangebot unseres Landkreises geworden“, denn die wechselnden Aufführungsorte vermittelten, wie in Kirchen und Klöstern, nicht nur ein musikalisches, sondern nicht zuletzt auch ein abwechslungsreiches architektonisches Bild unserer Region.